Motorrad

Ein Beispiel, wie unterschiedlich Menschen empfinden, wenn sie ein und dasselbe tun, zeigt sich für mich beim Thema Motorrad fahren. Mein Vater hatte mir einmal erzählt, dass er sich als junger Erwachsener nur eine Kreidler als Fortbewegungsmittel leisten konnte, um damit – bei jeder Witterung – von A nach B zu kommen. Als er sich damals dann endlich sein eigenes Auto leisten konnte, bestand für ihn somit keine Notwendigkeit mehr auf ein motorisiertes Zweirad zu steigen. Er hatte es nicht mit Spaß verbunden, sondern als unkomfortables Fortbewegungsmittel.

Meine erste Motorradfahrt verbinde ich mit schönen Erinnerungen. Ich hatte nur einen gelben Halbschalen-Skihelm, der alles andere als straßentauglich war. Mein großer Bruder chauffierte mit auf seiner XT500 zu einem Spielwarenladen im Nachbarort, wo ich einen Gutschein einlösen durfte. Ich war noch so klein, dass ich nicht über seine Schulter blicken konnte, hatte aber trotzdem eine Mordsgaudi und war mächtig stolz, dass ich mitfahren durfte.

Für mich bedeutet Motorradfahren, ähnlich wie das Gleitschirmfliegen, grenzenlose Freiheit. Aber nicht nur das. Damit sind Emotionen verbunden. Glücksgefühle. Und diese werden – unter anderem – durch die Vibrationen des Motors, den Klang und dem Fahrtwind, der mir um die Nase bläst, hervorgerufen. Würde es nur noch Elektro-Motorräder geben, hätte das Hobby für mich keinen Reiz mehr.

Die Freiheit eines jeden beginnt dort, wo die Freiheit eines anderen aufhört.

Immanuel Kant (1724 – 1804), deutscher Philosoph

Der Grund, warum ich diesem Hobby hier eine eigene Seite gewidmet habe, ist folgender: Ich möchte zum Nachdenken anregen und zum Dialog aufrufen. Motorradfahren steht seit einiger Zeit immer mehr in der Kritik, da sich viele Bürger-/innen durch Lärm belästigt fühlen. Ich kann vollkommen nachvollziehen, dass Anwohner von beliebten Motorradstrecken sich Gehör verschaffen möchten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Ich denke, dass man im ersten Schritt die Verursacher des Lärms – die Motorradfahrer – auf das Problem aufmerksam machen muss. Vielleicht wäre im ersten Schritt schon viel damit getan, wenn man in Ortschaften einen Gang höher schaltet, damit der Motor untertouriger läuft. Stellt Schilder am Ortseingang auf. Sprecht die Fahrer-/innen auf eure Situation an.

Zweifellos kann Lärm krank machen. Dazu gibt es Studien, die das belegen. Interessant ist jedoch auch, dass Lärm nicht gleich Lärm ist. Ein Mensch kann ein bestimmtes Geräusch als unangenehm empfinden, ein anderes wiederum als angenehm. Beschallt man jemand regelmäßig mit einem für ihn unangenehmen Ton, ruft das mit hoher Wahrscheinlichkeit Stress hervor, der sicher nicht gesund ist. Ein Beispiel: Ich habe jahrelang in einer Wohnung gelebt, dessen Fenster zu einem Bauernhof zeigte, auf dem es einen Hühnerstall gibt. Das Krähen des Hahn habe ich nie als störend empfunden. Ganz im Gegenteil: Wenn ich davon (viel zu früh) wach geworden bin, hatte ich eher eine Art Sicherheitsgefühl empfunden. Ich bin zu Hause. Dann hatte ich mich umgedreht und weitergeschlafen. Meine Nachmieterin wiederum ist weniger gut auf den Hahn zu sprechen. Im Gegensatz dazu löst bei mir Tauben Gegurre Stress aus, wenn ich eigentlich noch Schlafen möchte. Der Vergleich hinkt insofern, dass man es nicht mit einer zyklisch wiederholten Beschallung durch Motorräder vergleichen kann. Doch der Mechanismus ist der Gleiche.

Ich möchte keinesfalls die Empfindungen von Menschen, die an Lärm-Hotspots leben, herunter spielen. Jedoch möchte ich jeden dazu einladen, sich mit den Faktoren, die den Stress auslösen, auseinanderzusetzen. Denn Kinderlärm von Spielplätzen könnte genauso krank machen, würde man Menschen finden, die sich darüber aufregen können. Verbietet man deshalb Spielplätze oder sogar Kinder?